Ich mag Japan. Auch wenn in den meisten Gegenden das Verhältnis von Betonmasse zu Biomasse einfach zu krass in Richtung Beton verschoben ist – in diesem naturvergewaltigten Lebensraum könnte ich dauerhaft nicht leben. Zumindest gilt das für Tokyo. Da ist die Hamburger HafenCity quasi ein grünes Biotop!
Tokio
Die Japaner sind respektvoll und ehrlich. In keinem anderen Land – außer Cuba vielleicht- kann man sich derart sicher fühlen. Oder wo wird einem sonst das Portmonnaie hinterhergetragen, wenn man es verloren hat? Wo kann man seine Tasche auf dem Bahnhof abstellen, um noch am Automaten ein Getränk zu holen, ohne dass gleich Bombenalarm ausgelöst wird? In Japan geht das, auch wenn hier langsam der westliche Einfluss zu spüren ist, und Tradition und Kultur ein wenig verwässert werden. Da wird dann schon einmal die Hand gegeben, statt verbeugt. Schade.
In Japan gibt es einige auffällige Abweichungen zu unseren Gewohnheiten (elektrische Toiletten mit Konsole, wie James. T.Kirk im Kommandositz), und andere, die weniger auffällig sind. Inzwischen habe ich ja schon drei der vier Inseln bereist und bin eher darauf aus, subtile Besonderheiten aufzudecken. Auch der letztjährige Workshop Streetfotografie hatte Einfluss auf mein Fotografierverhalten und so sind einige ganz interessante Schnappschüsse entstanden.
Übrigens besonders interessant ist es in jeder Stadt, mit der U-Bahn zu fahren. Da kann man viel über die Kultur lernen. Während in der U-Bahn in Rio häufig gesungen wird (habe ich nur gehört, nie selbst erlebt), in Deutschland die Passagiere aussehen, als wären sie durch eine Prüfung gefallen, ist es in Japan wieder anders. Die meisten Passagiere sitzen mit gesenkten Kopf, dösen mit geschlossenen Augen oder schauen und tippen auf ihrem Smartphone. Telefonate, die selten vorkommen, werden ganz diskret und leise durchgeführt.
Wer übrigens einmal in dem Bahnhof Shinjuku war, wird wissen, wie groß und unübersichtlich Bahnhöfe sein können. Angeblich verkehren hier über 3 Mio. Passagiere pro Tag, pro Sekunde steigen etwa 500 Passagiere auf 30 Bahnsteigen ein oder aus (Quelle: Wikipedia). Wenn man selbst an einem dieser Umsteigeplätze steht, ist es nur schwer, sich diesem Gezerre und Geschiebe zu entziehen. Meistens drücke ich mich dann ganz eng an eine Säule und beobachte einfach diesen Fluss aus Menschen, der an einem kreuz und quer vorbeischießt. Das finde ich jedesmal wieder faszinierend.
An einem der Eingänge des Bahnhofs entdeckte ich einen kleinen Blumenladen, wo ich ein wenig innehalten musste. Das Angebot entsprach dem bereits zuvor erwähnten Beton – Biomasse Problem – also wenig Pflanze, viel Topf. Macht auch Sinn. Die Apartments in Japan sind schließlich winzig, wohin also mit einem ausladenden Kroton oder Ficus?
Ein noch erwähnenswerter, wenn auch schon bekannter Unterschied, ist die Flut an Getränkeautomaten in Japan. Quasi alle hundert Meter stehen ein paar. Verdursten ist also nur mangels Geld möglich, wobei tatsächlich die Betonung auf Geld liegt, da die meisten Automaten nicht nur Münzen, sondern auch Scheine annehmen, und einige auch Plastik. Ich frage mich, ob jemand mal ausgerechnet hat, wieviel mehr Lebensraum entstehen würde, wenn es diese Getränkeautomaten nicht geben würde?
Absolut notwendig sind die Automaten ja nicht, alle 200 Meter gibt es einen kleinen 24h Shop, da kann man auch Getränke kaufen.
Apropos Getränkeautomat: Ein schönes Erlebnis hatte ich hier bereits 2007, kurz vor der Fahrt mit dem Shinkansen. Da fragte ich meinen japanischen Begleiter, warum manche Getränke an dem Automaten mit einem blauen und andere mit einem roten Punkt versehen waren. Wie selbstverstänlich, sagte er: Die roten sind heiß und die blauen kalt. Wirklich? rief ich erstaunt. Ich konnte mir nicht vorstellen, ein Heißgetränk aus einem Automaten zu ziehen. Also kaufte ich einmal Cafe au Lait. Das war eine irre Erfahrung; Ich raste mit 300km/h am Mount Fuji vorbei und trank aus einer Dose einen heißen Milchkaffee. Mehr „typisch Japan“ auf einmal geht wohl nicht.
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